Deep Practice - gezieltes Üben....

von

Der kurze Werbesport von Michael Jordan bringt es auf den Punkt:

Um Erfolg zu haben, musst du öfter als jeder andere scheitern.

 

Weltklasse-Stars egal aus welchem Metier sind in ihrem Leben tausende Male gescheitert und haben trotzdem im Laufe ihrer Karriere mehr als 10 000 Übe-Stunden investiert, um aus ihren Fehlern zu lernen. Dazu gehört neben einem guten Coach und gezielten Übeeinheiten auch ein starker Wille, Leidenschaft und eine positive Einstellung gegenüber sich selbst und den Fehlern, die man macht. Weltklasse-Musiker üben 5-6 Stunden täglich gezielt.

 

Die meisten wollen jetzt nicht unbedingt Weltklasse-Stars werden, sonder „nur“ besser singen. Aber der Hintergrund ist der Gleiche. Neben einem guten Coach, hier also Gesangslehrer, gehört dazu auch das richtige Üben. Was heißt gezieltes Üben genau? Warum machen die einen hörbare Fortschritte und die anderen nicht? Wie kann man es im Alltag umsetzen?

In meinem Unterricht mache ich die verschiedensten Erfahrungen. Allen Schülern gemeinsam ist, dass sie eine Leidenschaft für das Singen haben, dass sie Zeit und Geld investieren, um besser singen zu können, um sich authentisch ausdrücken zu können. Der größte Unterschied, ob und wie schnell ein Sänger Fortschritte macht, hängt neben den regelmäßigen Unterrichtsstunden auch vom Üben zwischen den Unterrichtseinheiten ab.

 

Es gibt verschiedene „Übe-Typen“:

  • Diejenigen, die regelmäßig zum Unterricht kommen, aber zwischen den Stunden nicht üben
  • Diejenigen, die unregelmäßig kommen und nicht üben (und meistens auch bald aufgeben)
  • Diejenigen, die regelmäßig Unterricht wahrnehmen, und ab und zu üben
  • Diejenigen, die unregelmäßig kommen, aber regelmäßig üben
  • Diejenigen, die regelmäßig zum Unterricht kommen und regelmäßig üben.

 

Wie man sich denken kann, sind die Schüler aus der letzten und auch aus der vorletzten Kategorie diejenigen, bei denen man den Fortschritt am schnellsten und hörbarsten erkennt. Warum aber tun sich einige scheinbar leicht, das Üben in ihren Alltag zu integrieren und andere nicht?

 

Es gibt viele Gründe, nicht Üben zu können. Ein paar mögliche Gründe sind:

 

  • Kein geeigneter Raum
  • Zu viel Arbeit, zu viel Stress und deshalb keine Zeit (Wer in unserer Gesellschaft ist heutzutage nicht gestresst und unter ständigem Zeitdruck?!)
  • Hemmungen in Anwesenheit von Nachbarn, Mitbewohnern, Partnern zu üben
  • Wille und Absicht wären da, aber man setzt es nicht um
  • Eine negative Einstellung sich selbst gegenüber, negative Glaubensätze wie „ich kann es sowieso nicht“, „meine Stimme klingt nicht schön“, „ich bin nicht musikalisch“
  • Ständige Erschöpfung, zu viel Freizeitstress, zu perfektionistisch sein, etc.
  • Nicht wissen, wie man richtig und effektiv übt

 

Nach dem Lesen dieses Beitrags hoffe ich, dass diese Gründe sich aber als Ausreden entpuppen und jeder eine Lösung für sich finden kann, so dass sich Erfolg schneller und leichter einstellt.

 

  • Zunächst ein paar Vorschläge zu Raummöglichkeiten

 

  • Zuhause in einem Zimmer üben, wo man das Gefühl hat, man stört die Nachbarn am wenigsten, z.B. in der Küche, im Keller
  • Im Auto
  • mit anderen zusammen einen Raum stundenweise anmieten

 

Einige meiner Schüler überraschen mich mit ihren kreativen und teils lustigen Ideen, was Ort und Zeit zu Üben angeht:

  • Im Park
  • Spontan alleine in der Sauna
  • In der eigenen Praxis mit einem kleinen E-Piano zwischen den Patienten 5-10-Minuten-Einheiten
  • Trotz schwieriger Wohnsituation mental üben, d.h. die Aufnahme aus dem Unterricht bewusst anhören (erstaunlicherweise hilft das sehr!!). Alle meine Gesangstunden werden komplett aufgenommen, um zuhause damit eins zu eins üben zu können und es nachhören zu können.

 

  • Wie ich das Üben in den Alltag integrieren kann

 

  • 6 Minuten gezielte Übe-Einheiten sind oft effektiver als ein Monat ungezieltes Üben!
  • 6 Minuten täglich sind effektiver als einmal pro Woche oder alle zwei Wochen eine lange Einheit!
  • In den Terminkalender notieren und so einen Übezeit fixieren, die man nicht vergisst
  • Eine regelmäßige Routine aufbauen und sich daran gewöhnen.
  • Familie, Kinder, Partner haben das Recht, dass man Zeit mit ihnen verbringt und sich um sie kümmert. Man hat aber auch das Recht, sich etwas Zeit zu nehmen, um etwas für sich zu tun. Aus eigener Erfahrung wird das akzeptiert.
  • Die Gedanken an die Nachbarn ausblenden. Oder die Zeiten herausfinden, an denen man ganz ungestört ist.
  • Geeignete Slots finden und herausfinden, was am Besten in den eigenen Tagesablauf passt: morgens vor der Arbeit, in der Mittagspause oder abends.
  • Prioritäten setzen. Es gibt viele Dinge, die einen ablenken und die eigentlich nicht wichtig sind. Facebook, Social Media, … . Alles was unnötig Zeit raubt, ausfindig machen und versuchen weg zu lassen. Es bleibt mehr Zeit für das, was einem Wichtig ist.
  • Herausfinden, zu welcher Einstellung du dir selbst und Fehlern gegenüber neigst: Hast du fixierte Urteile und Glaubenssätze über dich selbst? Oder bist du offen und siehst Fehler als Möglichkeit zu wachsen und zu lernen an? Versuche, das zu identifizieren und evtl. zu ändern.

 

  • Wie kann ich meine Einstellung dem Üben und meinen Fehlern gegenüber ändern?

 Im Englischen gibt es dafür die Begriffe „Fixed Mindset“ und „Growth Mindset“, also eine „wachstumsorientierte Geisteshaltung“.

 

  • Finde heraus, ob du sehr perfektionistisch und selbstkritisch bist und ob dich deine Glaubenssätze an deinem Erfolg hindern.
  • Menschen mit einer positiven offenen Einstellungen sich selbst gegenüber sehen Fehler als Möglichkeit zu lernen an. Sie lassen sich deshalb nicht von ihrem Vorhaben abbringen, sondern werden im Gegenteil angespornt, mehr Zeit und Anstrengung dafür zu investieren. Auch die Erfolge anderer sind für sie eher inspirierend. Sie werten sich nicht durch die Fehler, die sie machen ab, sondern analysieren sie und lernen daraus. Auch das kann man üben!

 

  • Wie sieht gezieltes Üben aus?

Es ist ein Paradox: Während man genau an die Grenzen des Möglichkeiten geht und sich  mit den Fehlern befasst und diese analysiert und versucht zu ändern, verbessert man sich.

  • Schalte alle Störfaktoren ab (Handy, Computer, Social Media) und nimm dir Zeit für zunächst 6 Minuten fokussiertes Arbeiten
  • Singe das Lied oder die Übung nicht nur einfach durch. Dann übst du die Fehler oder die fehlerhaften Singgewohnheiten anstatt etwas zu ändern.
  • Wenn du einen Fehler machst oder sich die Stelle nicht gut anfühlt, singe nicht weiter sondern stoppe! Analysiere die Stelle: handelt es sich um einen bestimmten Ton, einen bestimmten Takt, einen bestimmten Vokal, spannt sich die Zunge an? Versuche den Fehler zu identifizieren. Wende die Tools an, die du aus dem Unterricht kennst (und nutze die Aufnahme aus dem Unterricht).
  • Ändere z.B. den Vokal, oder sprich nur den Text, übe ohne Playback, verlangsame das Tempo!
  • Wiederhole die Stelle so lange mehrmals mit den Verbesserungen bis du merkst dass sie besser wird.
  • Der Körper hat ein muskuläres Gedächtnis, ebenso bei der Muskulatur, die für den Singvorgang zuständig ist. Wenn du die richtigen Muskeln benutzt und die richtige Übung wiederholst, speichert sich die „neue“ Art zu singen und du fällst immer weniger in die alten Gewohnheiten zurück.
  • Wenn du eine längere Übeeinheit machst, lege eine Pause ein.
  • Wenn du nicht weiter weißt, stoppe und frage in der nächsten Stunde.
  • Setze dir zuerst kleine Ziele. Singe nicht den ganzen Song durch, sondern nimm dir eine schwierige Stelle vor. Erweitere die Ziele nach und nach.
  • Mach dir Notizen.
  • Fühle die Unterschiede.
  • Nutze das Übungsblatt, das du bei mir im Unterricht erhältst.
  • Nimm dich auf und höre dich von außen an. Das bringt oft große Einsichten.
  • Hole dir Feedback und nimm die Kritik als Möglichkeit zu lernen.
  • Notiere was du geübt hast und wie lange und notiere auch die Fortschritte.

 

  • Der wissenschaftliche Aspekt hinter dem Ganzen heißt: Myelin

Bei den kleinen Schritten des Scheiterns und immer wieder Wiederholens der richtigen Abläufe wird ein Stoff namens „Myelin“ in unserem Nervensystem gebildet, welcher für den Lerneffekt der sogenannten „Deep Practice“ verantwortlich gemacht wird. „Jede Bewegung, jeder Gedanke oder jedes Gefühl des Menschen ist letztlich eine genau abgestimmte Abfolge von elektrischen Signalen entlang von Neuronen in einem System von Nervensträngen. Myelin ist jener Stoff, der diese Stränge ummantelt und dadurch verstärkt. Je öfter man einen spezifischen Kreislauf „befeuert“, desto mehr bildet sich dieses Myelin und verstärkt die Abläufe. Übung ist also eine biologische Voraussetzung für das Lernen“.

Quelle: www.zukunftsinstitut.de/artikel/buchrezension-talentismus-ueben-ueben-ueben/

 

Das Schöne daran ist, dass man diese Art zu Üben oder diese Methode, Erfolg zu erzielen, auf alle LEbensbereiche anwenden kann.

 

Quellen:

“The Talent Code” –  Daniel Coyle

“The Little Book of Talent”  – Daniel Coyle

“The Practicing Mind”  – Thomas M. Sterner

“Talent is Overrated”  – Geoff Colvin

Zurück